Premiere: Capella Hospitalis, Februar 2017

 

Jazz als Meditation

Das Jazztrio Kordes-Tetzlaff-Godejohann stellte in der „Capella Hospitalis“ sein neues Programm „heimlich, still & leise“ vor

Bielefeld. Sie wollten unbedingt mit ihrem neuen Programm in diesen Raum der Ruhe und des stillen Gedenkens: Gleich zweimal war das renommierte Bielefelder Jazztrio Kordes-Tetzlaff-Godejohann am vergangenen Wochenende in der „Capella Hospitalis“ zu erleben. Dort präsentierten Olaf Kordes (Piano), Wolfgang Tetzlaff (Kontrabass) und Karl Godejohann (Schlagzeug) erstmals die Werke ihrer neuen CD „heimlich, still & leise“. Beide Auftritte waren bereits lange im Voraus ausgebucht.

Schon beim ersten Stück wird klar, dass sich das Trio mit seinem neuen Werk wesentlich mehr Freiheiten herausnimmt als noch bei der Vorgänger-CD „Salute to Bach“. Den Anfang macht „Resignazione“, ein Spätwerk von Franz Liszt, geschrieben 1877 für die Orgel.

Kordes, von dem sämtliche Arrangements und Eigenkompositionen auf der neuen CD stammen, stieß auf das Werk in einer Abtei in der Provence und ließ sich davon zu einem Stück inspirieren, das in seinen Klangfarben nicht nur Leid, Schmerz und Depression, sondern auch Zuversicht transportiert – und an dessen Ende von seiner Grundmelodie nichts mehr zu hören ist.

Es ist ein programmatischer Auftakt, macht er doch nicht nur deutlich, dass es dem Trio mit „heimlich, still & leise“ darauf ankommt, die Grenzen ihrer gemeinsamen Musizierweise erneut auszuloten.

Eine entschleunigte und zärtliche Version von "Rainbow"

Programmatisch auch deshalb, weil es Kordes-Tetzlaff-Godejohann auf faszinierende Weise verstehen, aus ihren Auftritten meditative Ereignisse zu machen, wobei ihnen gerade in der „Capella Hospitalis“ die große Nähe zum Publikum gelegen kommt. Das darf sich erst zum Schluss erholen, der letzte Titel der CD lautet passenderweise „Ricreazione“ (Erholung)

Dazwischen nimmt sich das Trio José Felicianos „Let’s Find each other Tonight“ vor, wobei Tetzlaff die Basslinie vorgibt und er damit einmal mehr demonstriert, warum er an diesem Instrument zu den Ausnahmekünstlern zählt; Harold Arlens „Somewhere over the Rainbow“ verschleppt das Trio in einer Weise, die vermutlich wirklich „die entschleunigste Regenbogenversion ist, die je gespielt wurde“, so Kordes – und vermutlich auch die zärtlichste; Stefano di Battistas „Anastasia“ kommt normalerweise in großer Besetzung mit Orchester und Streichern daher. Scheinbar mühelos wird bei diesem Arrangement des Jazztrios das Klavier zur Harfe, der Bass zum Saxophon, das Schlagzeug zu Streichern. Großartig das energiegeladene Solo von Godejohann bei diesem Lied. Wer das beherrscht, dem fällt es nicht schwer, „Cape Town Flower“ geschmeidig neu zu interpretieren, jene Liebeserklärung an Johannesburg aus der Feder von Abdullah Ibrahim.

Wunderbar auch Kordes’ Eigenkompositionen auf der neuen CD, sei es der von Mendelssohn-Bartholdy inspirierte „Song of Peace“, das „Milonga für Herrn L.“ und das sphärisch klingende „Voiles“. Das Publikum dankte mit viel Applaus und bekam noch zwei Zugaben geboten.

Tarek Chafik, NW, 20.02.2017

 

 

HEIMLICH, STILL & LEISE

JAZZTRIO KORDES-TETZLAFF-GODEJOHANN

 

IHRE BESONDERE STÄRKE? „WIR KÖNNEN GUT ZUSAMMEN ATMEN", LACHT OLAF KORDES. UND NEIN: DAS IST NICHT DIE BESCHREIBUNG EINER SPIRITUELLEN MÄNNERGRUPPE, SONDERN MUSIKALISCH GEMEINT. DIE DREI BIELEFELDER JAZZMUSIKER OLAF KORDES (PIANO), WOLFGANG TETZLAFF (KONTRABASS) UND KARL GODEJOHANN (SCHLAGZEUG) SIND NÄMLICH SO PERFEKT AUFEINANDER EINGESPIELT, DASS SIE AUCH STILLE AUSHALTEN KÖNNEN. WIE ENTSCHLEUNIGTES, ABER KEINESFALLS ENERGIESCHWACHES MUSIZIEREN KLINGT, DEMONSTRIERT IHR PROGRAMM „HEIMLICH, STILL & LEISE" SOWIE DIE GLEICHNAMIGE CD

 

Seit 2005 spielen sie als Jazztrio Kordes- Tetzlaff-Godejohann zusammen. Doch auch außerhalb dieser Formation sind die drei keine Unbekannten in der (Bielefelder) Jazzszene. Olaf Kordes komponierte unter anderem für die Uni- Big-Band Bielefeld und das Saxophon-Quartett Forty Fingers; Wolfgang Tetzlaff ist Gründungsmitglied der Uni-Big-Band und war lange Zeit Bassist der Band Quinteto Java; Karl Godejohann ist vielen durch die Jazzbands Alte Leidenschaften und Die Konferenz, aber auch durch Projekte wie „Die Jahnplatz-Kantate“ bekannt.

Dass sie sich irgendwann begegnen würden, war da nur naheliegend. Passiert ist es, weil Olaf Kordes und Wolfgang Tetzlaff einen Schlagzeuger suchten, um die Originalbesetzung der wieder entdeckten „Easter Suite“ von Oscar Petersen zu komplettieren. Ihr erstes gemeinsames Erfolgsprojekt, mit dem die drei nach wie vor auf Tour sind. „Die Easter Suite war die Initialzündung für die Gründung der Formation“, so Pianist Olaf Kordes. „Ein tolles Projekt, aber irgendwann wollten wir uns davon emanzipieren und gemeinsam eigene, neue Stücke entwickeln.“ Mit dem folgenden Bach-Programm hat sich das Jazztrio bereits mehr Freiräume erspielt. Aber erst bei „heimlich, still & leise“ steht ganz die eigene Musiksprache im Vordergrund. „Das Programm hat durch das gemeinsame Spielen zu uns gefunden“, so Olaf Kordes. „Die Arrangements bringen die Stärken unserer Band zum Leuchten. Wir können Pausen aushalten, Phrasen ausdeuten, Spannung halten. Das haben wir in Kirchen gelernt, weil relativ langsame Stücke der Akustik entgegen kommen.“ Sämtliche Stücke des neuen Programms stammen von Olaf Kordes. Neben Eigenkompositionen stehen Arrangements eigentlich höchst unterschiedlicher Werke. „Die Aufnahme von Liszts „Resignazione“ habe ich in Frankreich gefunden und hatte sofort eine Arrangier-Idee“, so der Komponist. Neben Stücken mit klassischem Hintergrund stehen auch ganz andere wie etwa „Somewhere Over the Rainbow”. „Durch die Arrangier-Technik und die entschleunigte Spielweise entdeckt man plötzlich Zusammenhänge. Aber live kochen wir innerhalb dieser Stücke auch mal richtig auf“, lacht der Pianist. Und Schlagzeuger Karl Godejohann ergänzt: „Dass wir extrem dynamisch spielen können, macht es spannend. Wir sind oft wie aus dem Nichts zusammen, das ist nicht abgesprochen und bleibt immer ein Risiko. Ein besonders beglückender Moment ist, wenn man merkt, dass das Publikum mit uns mitgeht und genauso atmet wie wir.“

Nach zwei ausverkauften Konzerten in der Capella Hospitalis freuen sich die Musiker jetzt auf den Auftritt in der Rudolf-Oetker-Halle, der einem größeren Publikum die Chance gibt, ganz heimlich still und leise eine gemeinsame Atemfrequenz zu finden. „Der Kleine Saal ist ein klangliches Kleinod, man kann sehr leise spielen und erreicht das Publikum trotzdem bis in die letzte Reihe“, unterstreicht Karl Godejohann. Vor und nach dem Konzert darf es übrigens auch etwas lauter werden: Bei kleinen Häppchen gibt es Gelegenheit zum Gespräch.

CD-TIPP:

heimlich, still & leise

Auch bei der Aufnahme war es dem Jazztrio besonders wichtig, die intime Atmosphäre und das intensive Klangbild einzufangen. Dafür haben die Musiker lange im Tonstudio getüftelt - mit Erfolg, wie viele positive Rückmeldungen und die Nominierung für den renommierten Preis der deutschen Schallplattenkritik beweisen.

 

Oetkerhallenmagazin: 2017/18, Stefanie Gomoll